seemannsgrab

 

 

Für meine akustischen und theatralischen Bearbeitungen habe ich den Text in zwei Abschnitte unterteilt: 'die strassen von st. petersburg' und 'die reise ins eis'. Mit der Wahl dieser Spielorte geht ein thermisch plastischer Vorgang einher: Im "Hexenkessel" Petersburg, vor dem Hintergrund "kochender" kannibalischer Exzesse in äquatorialer Hitze, erscheint Bering fast amorph, ohne Auftrag und Ziel sich von Wirtshaus zu Wirtshaus durch den Strassenkot schleppend. 'wer keine kriegstaten aufzuweisen vermochte, hieß altes weib oder niemand' heißt es im Text. Als Kapitän und sein eigener herr nimmt Bering dagegen im zweiten Teil immer schärfere Formen an. Seine Reise führt zu Kristallisation und Erstarrung. Auch die Zeit, im ersten Teil noch in heftiger Bewegung (vor und zurück) kommt zum Stillstand. Dieser Vorgang scheint mir vergleichbar mit der Funktionsweise großer Teilchenbeschleuniger. In zwei Stufen (der Stadt und der See) wird Bering mit Energie aufgeladen. In der ersten Stufe mit den Grundbedingungen der Existenz, in der zweiten mit ihren Grenzbereichen. Als energetisches Kraftobjekt zerbricht er schließlich im Eis (einer Art Blasenkammer), vielleicht bricht er auch durch die gewöhnliche Existenz hindurch - das bleibt offen. Bering ist am Ende nur ein Bild von Spuren, die er hinterlässt.

Konrad Bayer und sein Text 1988

100.0cm x 70.0cm

Kaseinfarbe auf Pappe